Tanz am

Bauhaus

Oskar Schlemmers
Weg zum Bauhaus

Auf einer wahren Begebenheit

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Wir reisen zurück in das 20. Jahrhundert...

1. Kapitel

Das Grauen des Krieges

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Kapitel 1

— Das Grauen des 1. Weltkriegs - 1914 —

Wie ein Schleier legte sich die einbrechende Dunkelheit über den blutgetränkten Boden und damit auch über die starren Leichen französischer wie auch deutscher Soldaten. Mit der Finsternis stieg zunehmend der Zweifel bei den überlebenden Truppenmitgliedern. Wieder war ein grausamer Tag voller Luftangriffe und blutiger Gemetzel in den Gräben vorbei - doch kein Ende in Sicht.

Unter den Soldaten befand sich auch der junge deutsche Maler Oskar Schlemmer, der sich freiwillig zum Dienst gemeldet hatte. Zusammen mit seinen Kameraden war er dabei Schützengräben in Verdun anzulegen. Nach einer kleinen Diskussion beschlossen sie sich aufzuteilen, um mehrere Gänge auszugraben. Doch bevor er auf seinem Absatz kehrt machen konnte, klopfte ihm einer seiner Freunde auf die Schulter. "Sei achtsam", sagte er zu ihm. Daraufhin antwortet Schlemmer seinem Kameraden mit einem kurzen Nicken und machte sich schließlich auf die Suche nach einer geeigneten Stelle, wo er weitergraben konnte. Als er fündig wurde, fing er mit der schweißtreibenden Arbeit an. Während des stundenlangen Ausgrabens quälten ihn immer wieder dieselben Fragen:

"Wie viel Blut muss noch vergossen werden? Wie lange soll der Krieg noch weitergehen? Ist er nötig? Und mit solchen Mitteln? Worin liegt der Segen des Krieges? In Blut und Tod und dem Aufstieg aus der Asche?..." Und gerade als er nach einer gefühlten Ewigkeit zum nächsten Spatenstich ansetzte - "Vorsicht! Granate!", bevor er den Ruf eines Soldaten überhaupt wahrnehmen konnte, schallte der Knall der Explosion durch die Schützengräben. Er sprang in Deckung und sah einen kopfgroßen Stein an sich vorbeiziehen. Angsteinflößende Schreie folgten. Nachdem es nach einigen Augenblicken leiser wurde, hob er langsam seinen Kopf und sah hinter einer Lichtung - nicht weit von ihm - Flammen lichterloh aufleuchten. Der Geruch des Schießpulvers vermischte sich mit der modrigen Erde wie auch mit den allmählich verwesenden Pferdekadavern auf den Feldern, was ihn nur schwer atmen ließ. Als er sich wieder aufrichtete, hörte er Schritte auf sich zukommen. Instinktiv drehte er sich um und erkannte einige Meter hinter ihm einen schwer verwundeten Soldaten aus seiner Einheit,der kurz darauf zusammensackte. "Sanitäter!", schrie er aus vollem Halse, während er ihm zur Hilfe eilte.

Er packte ihn und zog ihn mit all seiner Kraft zum nächsten Bunker, wo sie fürs Erste in Sicherheit waren.

ENDE

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2. Kapitel

Ein gelungener Auftritt

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Kapitel 2

— Ein gelungener Auftritt - 1916 —

Bereits zwei Jahre seit Beginn des Krieges sind vergangen. Dieser wütete ununterbrochen weiter - Schlemmer selbst hatte in dieser Zeit zwei Verletzungen erlitten. Seine darauffolgenden Aufenthalte im Lazarett boten ihm die Gelegenheit an, wieder zu zeichnen. Doch der Krieg hinterließ seine Spuren und verschaffte seinem künstlerischen Dasein weiterhin eine neue Sichtweise. Er fühlte eine elementare Veränderung in ihm - irgendetwas war anders. In seinem Tagebuch schrieb er dazu:

"Ich muß den Bann brechen. Muß endlich mich fühlen. Ich will endlich ich sein, und mag ich dabei künstlerisch zugrunde gehen. Ich will die Fenster einschlagen meiner stickig-dumpfen Zelle und Farbe, Welt, Leben und mehr noch einlassen. Will nicht mehr wägen, will wagen. Will alles Menschliche, Erlebte gestalten. Meine malerische, unverleugbare Psyche wird schon drinstecken."
Mit der Zeit konnte man demnach in seinem künstlerischen Stil auch einen Wandel erkennen. Seine Werke wurden abstrakter und wirkten farbenfroher. Zu diesem Zeitpunkt merkte er darüber hinaus , dass er sich viel mehr denn je mit dem Tanz - insbesondere dem Ballett - befassen wollte.

Denn vor seiner Einberufung entdeckte er während seiner Studienzeit die Leidenschaft zum Tanz und entwarf Skizzen sowie eigene Tanzeinlagen dazu. Vor allem sein selbst entwickeltes "Triadisches Ballett" lag ihm sehr zu Herzen. Es zeichnete sich durch ein experimentelles Erkunden von Körperbewegungen und deren Zusammenspiel mit dem umgebenen Raum aus. Noch im selben Jahr wurde Schlemmer aufgefordert nach Stuttgart zurückzukehren. Dort sollten auf einem Wohltätigkeitsfest des Regiments - dem er angehörte - erstmals Teile eines seiner entwickelten Tänze aufgeführt werden. Zu diesem Zweck wurde er beurlaubt, um die Inszenierungen mit den ausgewählten Tänzern einzustudieren. Nach dem tagelangen Üben war der große Abend gekommen. Obwohl der eisige Wind des Dezembers die Straßen durchzog, war ihm innerlich warm - ja sogar heiß. Die Nervosität ließ ihn in Schweiß baden. Er befand sich hinter der Bühne, um den letzten Schliff an den Kostümen der Tänzer vorzunehmen. Diese begaben sich anschließend auf ihre Positionen hinter dem Vorhang. Vom Rand der Bühne aus vergewisserte er sich, dass alle Besucher auf ihren Plätzen saßen. Nachdem es still wurde, gab er mit einer Handbewegung dem Bühnenassistenten das Startzeichen.

Während der Vorhang Stück für Stück gelüftet wurde, stieg die Anspannung bei Schlemmer immer weiter.Die gesamte Kulisse kam langsam zum Vorschein und gab die Sicht auf die Tänzer frei. Das warme Licht der Schweinwerfer untermalte das Zusammenspiel der bunt gekleideten Tänzer. Die Musik begann zu spielen und die Tänzer setzten sich in Bewegung. Ihm überkam die Euphorie und er schien wie ausgewechselt. Er erlebte wie nie zuvor ein Gefühl der Unabhängigkeit, bei dem er den menschlichen Körper als künstlerisches Ausdrucksmittel einsetzen konnte. Er schaute wie gebannt den Tänzern zu und genoss es mit jedem Atemzug. Langsam reagierte auch das Publikum - hörbares Geflüster machte sich im Saal breit und hielt bis zum Schluss an. Die Kritik an der Aufführung fiel sehr zwiespältig aus. Der Tanz erschien für einige grotesk, da es eher einer pantomimischen Einlage glich. Andere hielten es für einen Scherz oder teilten wiederum seine Begeisterung. Der Spielleiter des Hoftheaters kam schließlich auf ihn zu und war äußerst entzückt von der Vorführung. Er bat ihn weitere Ballette am Theater einzurichten, worüber sich Schlemmer sehr freute, da er erkannte, dass er sich auch zunehmend dem Tanz widmen will.

Doch erst einmal ging es für ihn wieder zurück zum Militärdienst, wo er in der Vermessungsabteilung tätig war. Diese Einheit wurde mit dem Ziel geleitet Truppeneinsätze und deren Bewegungen zu planen sowie durchzuführen.

ENDE

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3. Kapitel

Das Weimarer Bauhaus

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Kapitel 3

— Das Weimarer Bauhaus - 1918 —

Der erste Weltkrieg endete schließlich nach zwei weiteren Jahren, in dem viele Opfer gefordert wurden. Schlemmer fühlte sich wie zerschlagen, doch endlich hatte das Ganze ein Ende. Er kehrte zurück nach Stuttgart an die Akademie, wo er einst studierte. Dort wurde er als Studentenvertreter gewählt und fertigte nebenbei Plastiken und Gemälde an. In diesen Werken machte sich sein neuer Hang zur Abstraktion bemerkbar. Die Unsicherheit plagte ihn deshalb. Wird sein neuer Stil anerkannt? Er hatte allmählich das Gefühl, dass er sich verrannt hatte. Doch im Gegenteil. Seine ausgestellten Werke fanden in den kunstinteressierten Kreisen große Beachtung. Das wiederum ermutigte ihn dazu seine Arbeit fortzuführen.

Ein weiteres Jahr verflog während sich Schlemmer gleichermaßen versucht seinem Triadischen Ballett zu widmen. Aber die anfallenden Aufgaben an der Akademie hindern ihn letztlich daran. Während einer Pause saß er an einem sonnigen Maitag unter einem prachtvollen Eichenbaum. Seine Blätter raschelten in der leichten frischen Frühlingsbrise, die den süßlichen Duft der umliegenden Veilchen aufwirbelte. Sie schafften eine harmonische Atmosphäre - als hätte der schreckliche Krieg nie stattgefunden.

Aber innerlich tobte in Schlemmer ein Kampf. Er wollte etwas völlig Neues erschaffen, und zwar einen "Neuen Menschen". Dieser sollte in einer funktionalen und modernen Architektur - gänzlich frei von Krieg - leben und handeln. Zudem sollte dieser Mensch eben ein Tänzermensch sein! Aufgrund dessen fasste er den Entschluss die Akademie zu verlassen, um sich ganz dieser Aufgabe zuzuwenden. Sein Blick fiel auf den schweren Briefumschlag, der zuvor auf seinem Bürotisch abgelegt wurde. Er nahm ihn mit nach draußen, um in aller Ruhe den Inhalt durchzusehen. Auf dem Absender stand der Name "Walter Gropius", der ihm jedoch unbekannt erschien. Sichtlich daran interessiert, was im Umschlag verborgen lag, öffnete er diesen. Darin fand er ein gebundenes Manifest sowie einen dazugehörigen Brief. Bei dem Herrn Gropius handelte es sich um einen Architekten, der ihn über das Staatliche Bauhaus in Weimar informierte. Es war eine Zusammenlegung der ehemaligen großherzoglichen Hochschule für bildende Kunst und der während des Krieges ausgelösten Kunstgewerbeschule. Doch was hatte das mit ihm zu tun? Der Architekt erläuterte in seinem Brief, dass er bereits vor langer Zeit auf Schlemmer aufmerksam wurde. Aus diesem Grund wollte er ihn zum Bauhaus einladen und ihn als Lehrenden an die Hochschule einberufen lassen, was Schlemmer sehr gelegen kam.

Nach seinem darauffolgenden Besuch in Weimar schrieb er an seiner Verlobten namens Tut einen Brief, in dem stand:
„[...] Gropius, der Direktor vom Bauhaus, lädt mich ein, dorthin zu kommen, stellt mir Atelier zur Verfügung. So kam's, daß ich überall begrüßt wurd: »Also Sie kommen nach Weimar«. Ist ein schöner, stiller Platz, bedeutend, historischer Boden, darauf das junge, übermütige Bauhausvolk seine Streiche macht. Die meisten in russenkittelähnlicher Tracht. In der Kantine gegessen, billig; auch der Direktor ißt dort. Werden arg bekämpft von den Reaktionären. Wollen viel, können nichts tun, weil keine Mittel, und ergehen sich so in Spielereien. Hat auch seine Schattenseiten, bei allem Verlockenden. Nix zum Baden, das heißt, nur die Ilm, die ganz flach und schlammig ist. Viele gehen weg; scheint überhaupt allgemein so, daß nach dem ersten freudigen Zusammenschluß nun die Besinnung kommt und alles wieder auseinanderstrebt. [...]“

Das Bauhaus lockte Schlemmer zunächst nicht, denn der Ort schien uninteressant - sogar trostlos. Bei der Vergütung handelte es sich um einen spärlichen Betrag und hinzukam, dass eine Lehrtätigkeit für ihn eigentlich gar nicht in Frage kam. Alles in einem war er nicht beeindruckt. Währenddessen erhielt er weitere Angebote und Möglichkeiten seine künstlerische Ader einfließen zu lassen. Beispielsweise war da der Stuttgarter Stadtmuseumsdirektor, der ihm anbot seine Werke ausstellen zu lassen. Andernfalls gab es auch eine Anfrage des Graf Keyserling aus Darmstadt, der mit anderen Adeligen eine Schule der Weisheit ins Leben rufen wollte. Letzten Endes entschied er sich für das Bauhaus und pendelte zwischen Stuttgart und Weimar. Schlemmer leitete am Bauhaus die Werkstatt für Steinbildhauerei und Wandmalerei, sowie den Aktzeichenunterricht. Zeitgleich beschäftigte er sich mit der Bühnenbildnerei und Kostümen sowie seinem Triadischen Ballett. Dafür arbeitete er bis spät in die Nacht. Doch desto länger er an seiner Tanzinszenierung arbeitete, umso mehr plagte ihn die Unsicherheit. Monate vergingen, in dem er versucht sein Stück zu perfektionieren. Dabei erlebte er immer wieder Tiefpunkte, da er selbst nie zufrieden mit sich war.

Diese Frustration hielt bis zum Tag der Uraufführung seines Triadischen Balletts an. Der September neigte sich zum Ende und Schlemmer befand sich im Stuttgarter Landestheather, wo er selbst als Tänzer im Triadischen Ballett mitwirkte. Dabei wurde ihm klar, dass er eher als Tanzregisseur geeignet ist. Auf diese Weise kann er alles sagen und leiten bis ins kleinste Detail! Dennoch war die Aufführung ein voller Erfolg. Obwohl sogar Kostümteile auf die Bühne fielen, berichtete nicht die gehässigste Zeitung darüber. Die Kritik: hauptsächlich positiv. Trotz des Erfolges blieb Schlemmer weiterhin am Bauhaus, wo er schließlich die Stelle des Bühnenwerkstattleiters übernahm und die Tänze dort prägte.

ENDE

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Oskar Schlemmer
(* 4. September 1888 in Stuttgart;
† 13. April 1943 in Baden-Baden)

„Bühne! Musik! Meine Leidenschaft! Aber auch: die Weite des Gebiets. Die theoretischen Möglichkeiten meiner Anlage entsprechend, weil es mir natürlich ist. Der Phantasie freie Bahn. Hier kann ich neu sein, abstrakt, alles. Hier kann ich alt sein, mit Erfolg. Hier ist nicht das Dilemma der Malerei, zurückzufallen in eine Kunstgattung, an die ich innerlich nicht mehr glaube. Hier deckt sich das Wollen mit dem mir Entsprechenden und mit dem Zeitgemäßen. Hier bin ich selbst und bin neu. Einziger auf dem Plan, ohne Konkurrenz. Späte Erkenntnis, vielleicht aber nicht zu spät. Befreiungsgefühl!“

Tagebucheintrag, vom 13.07.1925

Porträt Oskar Schlemmer mit einem
Kostümteil (Glocke) aus seinem Bühnenstück „Glastanz“, um 1928
Stiftung Bauhaus Dessau (I 3692)