Interaktive Videos auf der Leinwand

Autorinnen: Bonnie Huntemann und Nicole Hafner


Ein neues Filmerlebnis?

Die Filmindustrie und vor allem der Streaming-Anbieter Netflix haben in den letzten Jahren mit einem selbst produzierten Aufgebot an interaktiven Filmen eine Art Hype geschaffen.

Ob mit der ganzen Familie auf der Couch oder alleine in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Zuschauer*innen empfinden eine starke Bindung zum Geschehen im Film. Mehr noch: durch die gefühlte Partizipation, die suggeriert wird und durch die Aufmerksamkeit, die vorausgesetzt wird um ein erfolgreiches interaktives Erlebnis zu erfahren, entsteht fast ein ähnlich starkes Gefühl von Teilhabe den Verlauf zu beeinflussen, wie bei modernen Videospielen.

Bild von StockSnap auf Pixabay

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein neues Filmerlebnis?
  2. Der Beginn eines Hypes?
  3. Beispiele für interaktive Filme
  4. Wie „interaktiv“ sind interaktive Filme wirklich?
  5. Quellen

Der Beginn eines Hypes?

Doch der Wunsch nach Interaktion mit dem Filmgeschehen ist keine neue Idee und hat seinen Ursprung schon gar nicht in der Streamingindustrie.

„Einen ersten Versuch mit interaktiven Filmelementen unternahm beispielsweise Winsor McCays Zeichentrick-Experiment Gertie the Dinosaur (USA 1914), für das der Regisseur sich bei jeder Vorführung vor der Leinwand positionierte und mit der gezeichneten Dinosaurierdame Gertie ‹interagierte›, die seine Befehle ‹befolgte› „

Auch wenn es sich hierbei zweifelsfrei nicht mal annähernd um tatsächliche Interaktion zwischen Publikum und Filmgeschehen handelt, wird deutlich, dass die Idee schon früh Wurzeln in der Filmindustrie geschlagen hat.

Aber was macht interaktive Filmelemente so interessant und in welchen Bereichen kann man Sie heute und in Zukunft nutzen?

„Videos zählen aktuell und vermutlich auch künftig zu den bedeutendsten digitalen Medien im Internet. Sie lassen sich für fast alle Anwendungsbereiche verwenden und können Sachverhalte und Zusammenhänge so anschaulich und authentisch darstellen, wie es mit keinem anderen Medientyp möglich ist.“

Die Filmindustrie entwickelt sich stetig weiter, immer auf der Suche nach einem neuen Trend, in den letzten 10 Jahren ging es beispielsweise von 3D über 4D zu interaktiven Filmen. Ziel ist es dabei dem Zuschauer immer mehr das Gefühl zu geben er wäre in das Geschehen involviert, ein Wandel von Betrachtung hin zur echten Interaktion.

Trailer von „Du gegen die Wildnis“ (2019)

Beispiele für interaktive Filme aus den letzten Jahren

Wie „interaktiv“ sind interaktive Filme wirklich?

Die Möglichkeit mitzuentscheiden, wie sich die Handlung im Film gestaltet erweckt im Betrachter zwar die glaubhafte Illusion von Interaktivität, dabei ist dies natürlich keine freie, selbst gefällte Entscheidung, wie wir sie aus dem realen Leben kennen.Denn Interaktivität im Film hat ihre Grenzen. Auch wenn vermeintliche Partizipation suggeriert wird, sind Entscheidungsmöglichkeiten, dadurch, dass sie schon bei der Produktion erdacht wurden, vorbestimmt und in einer Art Baum-Struktur deklariert. So ist es dem Zuschauer zwar nicht möglich irgendwie die Handlung zu beeinflussen, aber er kann in manchen Fällen doch zwischen zwei oder mehr vorgegebenen Möglichkeiten wählen.

Die Filmindustrie steht noch am Beginn der Entwicklung interaktiver Kinoerlebnisse, die zukünftigen Veröffentlichungen versprechen spannend zu werden, werden aber nie unser Bedürfnis nach echter Interaktivität decken können.

Quellen

E-Learning: Interaktive Videos in der Hochschullehre

Autorinnen: Charlotte Böddicker und Kim Kirner


Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Thema E-Learning an Hochschulen weiter an Bedeutung gewonnen. Das erfordert von den Lehrenden die Weiterentwicklung alter und Umsetzung neuer digitaler Lehrmethoden. Eine Methode ist die Vermittlung von Lehrinhalten mithilfe interaktiver Videos. Doch wie setze ich diese ein und was sind überhaupt interaktive Videos? Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.  

© Canva

Inhaltsverzeichnis

  1. Was sind interaktive Videos?
  2. Was können interaktive Videos in der Hochschullehre leisten?
  3. Welche Herausforderungen bieten interaktive Videos für die Hochschullehre?
  4. Für welche Art von Lehrinhalten eignen sich interaktive Videos?
  5. Wie erstelle ich ein interaktives Video? (Am Beispiel von ILIAS)

1. Was sind interaktive Videos?

Interaktive Videos bestehen aus zwei grundlegenden Komponenten: dynamische und audiovisuelle Medien (z.B. Videos oder Animationen) als Basis sowie darin eingebundene aktivierbare und zeitgestempelte Multimedia-Elemente (z.B. digitale Texte, Bilder, Graphiken, Links, Referenzen, Audio- oder Videodateien). Durch die Einbettung dieser Elemente wird die lineare Struktur eines Videos aufgebrochen, was dem Betrachtenden eine aktive Auseinandersetzung mit dem Inhalt – je nach Bedürfnis bzw. Wissensstand – ermöglicht. Im Kontext eines interaktiven Videos wird der passive Betrachtende also zum aktiven Nutzenden.

Geht man vom Einsatz interaktiver Videos im Bereich des E-Learning aus, kann man zwischen drei grundlegenden, kombinierbaren Formen differenzieren:

  • Interaktive Videos als Videos mit verzweigenden Handlungssträngen
  • Interaktive Videos als Videos mit bereitgestellten Zusatzinformationen
  • Interaktive Videos mit integrierten Zusatzfunktionen (Vgl. zu diesem Abschnitt: Lehner, Siegel 2009, S. 44-45)

Interaktive Videos mit verzweigenden Handlungssträngen

Interaktive Videos mit verzweigenden Handlungssträngen ermöglichen den Nutzenden, den weiteren Verlauf des Videos aktiv und je nach Bedürfnis zu beeinflussen. Im Kontext von E-Learning gewinnt diese Form des interaktiven Videos beispielswiese an Bedeutung, wenn es um die Vermittlung wichtiger Grundlagen zu einem bestimmten Thema geht: Der Lernende kann im Verlauf des Videos dann selbst entscheiden, ob er bereits zum nächsten Themenschwerpunkt übergehen möchte oder weitere, vertiefendere Informationen zum gerade dargestellten Themenschwerpunkt benötigt. (Vgl. zu diesem Abschnitt: Lehner, Siegel 2009, S. 45)

Interaktive Videos mit bereitgestellten Zusatzinformationen

Mit den bereitgestellten Zusatzinformationen sind die Möglichkeiten gemeint, bewegtes Bildmaterial mit wichtigen Informationen in Form von Annotationen und Kommentaren anzureichern. Sowohl die Erstellenden interaktiver Videos, als auch die Nutzenden können den dargestellten Inhalt durch Videoannotationen erweitern oder Kommentare beifügen, die zur Diskussion anregen. Studierende haben hierdurch außerdem die Möglichkeit, sich mit inhaltlichen Fragen an die Lehrenden zu wenden. Interaktive Videos dienen in diesem Sinne als „aktive und soziale Austauschplattform“ (Georg-August-Universität Göttingen o.J.) für Lehrende und Lernende – gerade beim E-Learning ist dieser Punkt nicht zu unterschätzen. (Vgl. zu diesem Abschnitt Lehner, Siegel 2009, S. 46)

Interaktive Videos mit integrierten Zusatzfunktionen

Unter den integrierten Zusatzfunktionen kann man im E-Learning Bereich beispielsweise die Möglichkeit fassen, Fragen verschiedenster Fragetypen oder Aufgabenstellungen im Video zu implementieren. Die Lehrenden können mithilfe dieser Zusatzfunktionen eine aktive Auseinandersetzung mit den dargestellten Inhalten fördern. Den Studierenden dienen Sie außerdem zur Einschätzung ihres Wissensstandes.

Ein interaktives Video

Die Umsetzung eines interaktiven Videos kann beispielsweise so aussehen:

© Bundeszentrale für politische Bildung / bpb 2015

2. Was können interaktive Videos in der Hochschullehre leisten?

Interaktive Videos können folgende Aspekte im Lehrprozess der Lehrenden und im Lernprozess der Studierenden erleichtern oder begünstigen:

  • Asynchrones Lernen (zeit- und ortsunabhängig)
  • Individuelle Gestaltung und Kontrolle des Lernprozesses
  • Förderung des Verstehens und Erinnerns der Lerninhalte durch visuelle Darstellung
  • Förderung des analytischen Denkens (Anwenden, Analysieren, Beurteilen und Gestalten) durch aktive Vermittlung von Lerninhalten
  • Förderung der intensiveren, inhaltlichen Auseinandersetzung und Entwicklung eigener Ideen durch aktives Erarbeiten der Lerninhalte und Filterung wichtiger Informationen (z.B. durch Annotationen, Kommentare, Fragen)
  • Anstoß zur Diskussion, sozialer Interaktion und Austausch: aktiver Reflektions- und Diskussionsprozess trotz räumlicher Distanz
  • Möglichkeit zum Feedback und zur Überprüfung des Lernerfolges
  • Umsetzung aufwendiger Formen der Wissensüberprüfung (z.B. Einbettung von Fragen verschiedener Fragetypen)
  • Spaß am Lernen durch kreative Lehrmethode

3. Welche Herausforderungen bieten interaktive Videos in der Hochschullehre?

Interaktive Videos können Lehrende und Lernende vor verschiedene Herausforderungen stellen, die es von der Hochschule zu berücksichtigen gilt. Eine Überwindung der Herausforderungen und die Lösung von Problemen kann nur in Zusammenarbeit und im gemeinsamen Austausch erfolgen.

Technische Herausforderungen und Infrastruktur

Um das E-Learning im Allgemeinen sowie das Lehren und Lernen mit interaktiven Videos überhaupt anbieten zu können, ist es notwendig, dass Hochschulen die entsprechende technische Infrastruktur bereitstellen. Diese kann die Lehrenden maßgeblich bei der Gestaltung ihrer Lehre unterstützen und sie darin bestärken auch auf digitale Lehrmethoden zu setzen. Optimal ist die Bereitstellung von Lernplattformen, mit deren Hilfe internetbasierte Lernmaterialen für E-Learning erstellt werden können. Im Umgang mit solchen Lernplattformen müssen Lehrende dann entsprechend geschult werden.

Didaktische Herausforderungen

Die Umsetzung didaktisch guter, interaktiver Videos stellt hohe Ansprüche an die Lehrenden. Die Videos müssen so gestaltet werden, dass sie die Studierenden in ihrem Lernprozess unterstützen und motivieren. In diesem Zusammenhang müssen Zusatzinformationen präzise formuliert und Zusatzfunktionen sinnvoll genutzt werden. Das interaktive Video soll die Studierenden zur intensiven Auseinandersetzung mit den Inhalten animieren und zur Diskussion anregen. In diesem Zuge sollte eine didaktische Beratung oder Fortbildung für die Lehrenden in Betracht gezogen werden. (Vgl. zu diesem Abschnitt: Krüger, Steffen, Vohle 2012, S. 206-209)

Probleme des Lernens mit Video

Dazu gehören u.a. technische Probleme, aber auch Studierende, die aufgrund mangelnder technischer Ausstattung oder Begebenheiten zu Hause keine Möglichkeit haben adäquat am E-Learning teilzunehmen. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Studierenden von digitalen Lehrmethoden profitieren können, sondern den traditionellen Unterricht vorziehen. Außerdem kann die „Gefahr der Individualisierung“ (Dubs 2019, S. 35) bestehen, wenn Studierende sich ausschließlich auf das Video konzentrieren, die Interaktion in der Lerngruppe aber ansonsten ablehnen.

4. Für welche Art von Lehrinhalten eignen sich interaktive Videos?

Interaktive Videos eignen sich für…

  • Selbstlerneinheiten
  • die Einführung neuer Themen
  • die visuelle Darstellung von Lerninhalten
  • die Überprüfung des bisherigen Wissensstandes
  • die Darstellung/Behandlung praxisnaher Themen 
  • die aktive Gestaltung einer Vorlesungsaufzeichnung
  • die aktive Gestaltung einer asynchronen Lehreinheit
  • die Anregung eines Diskussionsprozesses zwischen Studierenden
  • die Analyse von Aufzeichnungen (z.B. Vorträge, Präsentationen, Filmsequenzen) (Vgl. Georg-August-Universität Göttingen o.J.)

5. Wie erstelle ich ein interaktives Video? (Am Beispiel von ILIAS)

ILIAS (Integriertes Lern-, Informations- und Arbeitskooperations-System) ist ein Open Source Learning Management System, das bereits an vielen Hochschulen zum Einsatz kommt. Mithilfe der Lernplattform ILIAS können Lern- und Übungsmaterialen leicht erstellt und den Lernenden zur Verfügung gestellt werden. (Vgl. zu diesem Abschnitt: ILIAS 2022)

Im Kontext der Erstellung interaktiver Videos bietet ILIAS das Interaktive Video Plug-In an, welches die Gestaltung und Bereitstellung interaktiver Videos ermöglicht. Ein Tutorial über die Möglichkeiten zur Gestaltung von interaktiven Videos mit ILIAS finden Sie hier:

© Universität Stuttgart 2022

Quellenverzeichnis

Bundeszentrale für politische Bildung / bpb (2015): Was ist eigentlich E-Learning?. Video publiziert am 11.09.2015 auf Youtube. Online unter https://www.youtube.com/watch?v=XHwDtmSFrOA [Abruf am 28.12.2022]

Dubs, Rolf (2019): Die Vorlesung der Zukunft. Theorie und Praxis der interaktiven Vorlesung. Opladen, Toronto: Verlag Barbara Budrich

Georg-August-Unversität Göttingen (o.J.): Interaktive Videos. Online unter https://www.uni-goettingen.de/de/576435.html [Abruf am 11.12.2022]

ILIAS (2022): Über das Open-Source-LMS ILIAS. Online unter https://www.ilias.de/open-source-lms-ilias/ [Abruf am 11.12.2022]

Krüger, Marc; Steffen, Ralf; Vohle, Frank (2012): Videos in der Lehre durch Annotationen reflektieren und aktiv diskutieren. In: Csanyi, Gottfried; Reichl, Franz; Steiner, Andreas (Hg.): Digitale Medien – Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre. Münster: Waxmann, S. 198-210

Lehner, Franz; Siegel, Beate (2009): E-Learning mit interaktiven Videos – Prototypisches Autorensystem und Bewertung von Anwendungsszenarien. In: Schwill, Andreas & Apostolopoulos, Nicolas (Hg.): DeLFI 2009 – 7. Tagung der Fachgruppe E-Learning der Gesellschaft für Informatik e.V.. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V., S. 43-54

Universität Stuttgart (2022): Interaktives Video in ILIAS. Video publiziert am 07.02.2022 auf Youtube. Online unter https://www.youtube.com/watch?v=jDrn2O7KcVo [Abruf am 11.12.2022]