Gather.Town: Online-Lernen mit einem Twist

Die COVID-19-Pandemie zwang Lehrkräfte, ihre Unterrichtsmethoden zu ändern. Da Massenlockdowns weltweit die Norm waren, gewannen Videokonferenzplattformen wie Zoom, BigBlueButton und Microsoft Teams plötzlich an Beliebtheit. Dies veränderte die Unterrichtsatmosphäre für viele Lehrkräfte und Studierende schlagartig und brachte eine Vielzahl neuer Herausforderungen mit sich.

Diejenigen, die Online-Kurse und -Tutorien unterrichten müssen, können bestätigen, dass die Moderatoren häufig ins Leere sprechen. Dies liegt einerseits an Hardwarebeschränkungen, andererseits auch an einem gewissen Unwillen, Kameras oder Mikrofone einzuschalten. Dies wird durch die sogenannte “Zoom fatigue” (Zoom-Müdigkeit) noch weiter verstärkt.1 Einem Artikel der Stanford-Universität zufolge gibt es vier Hauptgründe, warum Menschen eine Zoom-Müdigkeit bekommen. Diese sind:

  1. Ein übermäßiger enger Augenkontakt ist sehr intensiv.
    .
  2. Sich bei Videochats ständig in Echtzeit zu sehen ist ermüdend.
    .
  3. Videochats schränken unsere gewohnte Beweglichkeit drastisch ein.
    .
  4. Die kognitive Belastung ist bei Videochats viel höher.2

Ein Forschungsbericht von René Riedl aus dem Jahr 2021 stimmt mit diesen Punkten überein und fügt noch einige weitere hinzu, wie z. B. die Versuchung, während Videokonferenzen Multitasking zu betreiben, was an sich schon Stress und Müdigkeit verursachen kann.3

Eine mögliche Lösung für diese Probleme könnte die Nutzung unkonventionellerer Plattformen sein, die Gamification mit Lernen verbinden. Aus Gründen der Vereinfachung wird sich dieser Artikel auf Gather konzentrieren.

Um Verwechslungen zwischen dem Unternehmen und dem Produkt zu vermeiden, wird die Plattform in diesem Artikel als Gather.Town bezeichnet.

Was ist Gather.Town?

Gather.Town ist eine browserbasierte Webkonferenzsoftware mit Pfiff. Im Gegensatz zu traditionellerer Webkonferenzsoftware wie Zoom oder BigBlueButton ermöglicht Gather.Town dem Veranstalter einen virtuellen Raum zu schaffen, in dem sich die Gäste mithilfe kleiner personalisierter Avatare bewegen können.4 Gather.Town ist zwar nicht die einzige Konferenzsoftware dieser Art (vgl. Wonder.me), aber der Charme von Gather.Town liegt in der Pixel-Videospielgrafik, die an ältere zweidimensionale Spiele der 80er und 90er Jahre erinnert.

Das interaktive Bild unten zeigt den Gather.Town-Raum, den wir für diesen Artikel erstellt haben. Sie können auf die Info-Symbole klicken, um mehr über die verschiedenen Funktionen zu erfahren.

Ihre Attraktivität

Auch der Kostenfaktor spielt eine große Rolle bei der Attraktivität von Gather.Town, da das Erstellen eines Raums für bis zu 25 Teilnehmende kostenlos ist. Der virtuelle Raum kann in verschiedene Räume aufgeteilt und ganz an die individuellen Bedürfnisse des Veranstalters angepasst werden, z. B. ein Breakout-Bereich, Vortragssaal oder ein Raum für Gespräche und Entspannung für Teilnehmende, die sich von den Sehenswürdigkeiten und Geräuschen der Veranstaltung erholen wollen. Von den Wänden über die Böden bis hin zu den Gegenständen und Texten in den Räumen kann alles individuell gestaltet werden. Bei größeren Konferenzen können diese Räume miteinander verbunden werden.5

Einem Raum beizutreten ist ebenfalls sehr einfach. Gather.Town-Mitglieder und Gäste können auf verschiedenen Arten in den Raum eingeladen werden:

  • durch Eingabe der URL für den Bereich.
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  • durch den Veranstalter, der einen eindeutigen Link oder einen Link zu einem bestimmten Tagungsort erstellt.
    .
  • über die Gather.Town-Plattform selbst.

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Optionale Passwörter stellen außerdem sicher, dass nur die eingeladenen Personen die virtuellen Räume betreten können. Dies geschieht alles über den Browser, sodass weder der Veranstaltende noch die Teilnehmenden zusätzliche Software herunterladen müssen.6 Die meisten modernen Computer sollten in der Lage sein, Gather.Town ohne Probleme auszuführen. Bestimmte Einstellungen können zudem ein- und ausgeschaltet werden, um die Leistung zu verbessern. Eine Liste der Systemanforderungen steht auf der Entwicklerwebsite zur Verfügung.

Ihre Highlights

Dank Funktionen wie Spotlighting ist Gather.Town ideal für Präsentationen. Wenn der*die Moderator*in auf einer Spotlight-Kachel steht oder manuell angestrahlt wird, kann jede*r im Raum ihn*sie hören und sehen. Spotlight-Kacheln ermöglichen es einer oder mehreren Personen, ihre Audio-, Video- und/oder Bildschirminhalte für alle im Raum zu übertragen. Personen, die im Spotlight stehen, werden an den oberen Rand des Videokarussells gepinnt. Wenn der Avatar einer Person nicht auf einer Spotlight-Kachel steht, richtet sich die Audio-/Videoanzeige nach der Nähe zu anderen Teilnehmenden oder danach, ob sie sich gemeinsam in einem privaten Bereich befinden.7

Das folgende Video gibt einen kleinen Einblick in die Welt von Gather.Town.

“Introduction to the Gather Town platform” von ©Connected Data World (englischsprachig)

Wie kann Gather.Town zur Verbesserung des Lernumfelds beitragen?

Durch die Tatsache, dass sowohl Lehrende als auch Lernende seit der Coronapandemie viel mehr auf Bildschirme schauen und auch viel mehr in Videokonferenztools sitzen, kommt natürlich auch die Frage auf, wie man das Lernumfeld verbessern kann. Gather.Town bietet durch die Tatsache, dass man sich wie im realen Leben bewegen kann und nicht mit jedem kommunizieren muss, eine informelle Möglichkeit Kontakte zu knüpfen (zum Beispiel die grünen Wiesen Potsdams bei der 8. Jahrestagung des Verbands „Digital Humanities im deutschsprachigen Raum“, ausgerichtet von der Universität Potsdam und der Fachhochschule Potsdam).8 Damit bietet sich eine gute Möglichkeit barrierefrei mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

Apropos Barrierefreiheit: laut der offiziellen Website (Online-Leitfaden) von Gather Presence, Inc. arbeiten sie aktiv an der Verbesserung der Gather.Town-Erfahrung für Menschen, die zusätzliche Unterstützung  bei der Navigation und/oder dem Verständnis durch Dolmetschende benötigen.9

Auch durch die ganzen interaktiven Pixelbilder – wie Mikrofon, Tischgruppen und Flipcharts – wird eine Spielatmosphäre geschaffen und jede*r kann selbst entscheiden, wann er*sie was lernen möchte und mit wem er*sie dies tun will. Dadurch, dass sich die Kameras und Mikrofone erst bei Gruppenbildung einschalten, kann man auch den in der Einleitung genannten Punkten sehr gut entgegenwirken, weil man immer noch selber entscheiden kann, ob man noch fit genug für eine weitere Videokonferenz ist oder ob man lieber erst mal eine Pause einlegen will. Auch bewirkt Gather.Town, dass man zwischendurch auch einmal aufstehen kann ohne die Kamera ausschalten oder um eine Pause bitten zu müssen. Die farbenfrohe und reichhaltige Welt bietet darüber hinaus gerade genug Anreiz, damit die Teilnehmenden weniger geneigt sind, während der Vorträge bzw. Vorlesungen zu einer anderen Website zu wechseln oder Multitasking zu betreiben.

Erfahrungen aus Bildungseinrichtungen

Gather.Town ist noch nicht lange auf dem Markt, sodass die Erfahrungen aus den Bildungseinrichtungen noch nicht sehr umfangreich sind, aber es soll trotzdem versucht werden, einen kleinen Einblick in die Erfahrungen zu geben.

Staff Weeks sind in universitären Einrichtungen mittlerweile sehr beliebt, um den Austausch auf (inter)nationaler Ebene zu ermöglichen. Die SUB Göttingen hat 2021 eine virtuelle Staff Week veranstaltet. Sie wollten aber auch versuchen, das soziale Leben, welches bei solchen Veranstaltungen immer automatisch außerhalb der Vorträge entsteht, auch in den virtuellen Raum zu übertragen. Zoom und BigBlueButton haben sich nicht dafür angeboten, sodass sie einen virtuellen Konferenzraum mit Gruppentischen über Gather.Town eingerichtet haben. Sowohl die Teilnehmenden als auch die Veranstaltenden zogen ein (sehr) positives Fazit. Die SUB Göttingen gibt auch anderen Einrichtungen über das Magazin O-Bib wertvolle Tipps für eine Online-Staff Week.10

Ein Tweet über die Open Access Staff Week 2021

Gather.Town wird auch Bildungseinrichtungen vorgestellt und auch diese sind begeistert.11 Besonders interessant ist, dass trotz der Kürze der Zeit schon einige Universitäten Gather.Town nutzen und Schulungen/Anleitungen anbieten. Hier werden exemplarisch drei genannt: die Uni Konstanz, die Uni Weimar und die Uni Mainz. Natürlich wird Gather.Town auch außerhalb Deutschlands genutzt, beispielsweise von der Uni Bern.

Internationale Bildungseinrichtungen

Mit Blick auf die internationale Universitätslandschaft wurde zwischen 2020 und 2021 eine Fallstudie an der Queen’s University Belfast in Nordirland durchgeführt, um die Wirksamkeit von Gather.Town als Plattform für die Vermittlung praktischer Fähigkeiten zu ermitteln. Es zeigte sich, dass die teilnehmenden Studierenden Gather.Town gegenüber alternativen Online-Systemen für ihre Lehrveranstaltungen bevorzugten. Sowohl die Lehrkräfte als auch die Studierenden gaben an, dass die Hauptvorteile von Gather.Town in der Möglichkeit liegen, maßgeschneidertes und selbstbestimmtes Lernen zu unterstützen. Beide Gruppen betonten auch, dass ein wichtiges Element der Plattform darin besteht, dass sie die Möglichkeit bietet, mit anderen zu diskutieren und das Engagement der Teilnehmenden zu fördern.12 Eine andere Fallstudie, die am Karlsruher Institut für Technologie durchgeführt wurde, zeigt, dass Aufgaben mit hoher Interaktivität in ihrem Fall in Gather.Town besser funktionierten als in einer Präsenzumgebung.13

Fazit

Dieser Fachartikel soll nur einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten von Gather.Town bieten. Insgesamt lässt sich sagen, dass Gather.Town eine “schöne Spielwiese” ist, um der Digitalisierung etwas Spielerisches und etwas anderes als die typischen Videokonferenztools zu ermöglichen und Abwechslung hineinzubringen. Auch kann man in Gather.Town die Realität besser abbilden als in anderen Tools. Natürlich muss diese Art von Videokonferenztools noch bekannter werden. Dann dürften sie aber gute Alternativen zu den bisher bekannten sein.

Wenn Sie Gather.Town selbst testen möchten, können Sie Ihren eigenen virtuellen Raum kostenlos erstellen oder den für diesen Fachbeitrag erstellten Raum testen. Viel Spaß!

Link zum Gather.Town Raum – Online-Lernen mit Twist.

Abschlussquiz

Jetzt ist es an der Zeit, Ihr Wissen zu testen. Sie haben den Artikel gelesen, das Video gesehen und den virtuellen Raum getestet. Machen Sie unseren Test und lassen Sie uns wissen, wie Sie abgeschnitten haben! #HS Hannover


Fußnoten

1 vgl. Riedl 2022, S. 155-157
2 vgl. zu diesem Abschnitt Ramachandran 2021
3 vgl. Riedl 2022, S. 163-164
4 vgl. Gather Presence, Inc. 2022b
5 vgl. Gather Presence, Inc. 2022a
6 vlg. zu diesem Abschnitt Eisenberg 2021 und Gather Presence, Inc. 2022c
7 vgl. Gather Presence, Inc. 2022e
8 vgl. Mischke 2022 S. 216
9 vgl. Gather Presence, Inc. 2022d
10 vgl. zu diesem Abschnitt Schneider 2021
11 vgl. Mittelhessen 2022
12 vgl. Williams u. McClure 2021, S. 1 und 8
13 vgl. Standl u. a. 2021, S. 87-88

References

Eisenberg, Lukas (2021): Gather.town. Hybrid Social Learning. Zuletzt aktualisiert am 19.05.2021. Online unter https://wiki.tum.de/display/learnsocial/gather.town [Abruf am 01.10.2022]

Gather Presence, Inc. (2022a): Create a Space. Zuletzt aktualisiert am 21.10.2022. Online unter https://support.gather.town/help/create-a-space [Abruf am 25.10.2022]

Gather Presence, Inc. (2022b): Gather. Building better teams, bit by bit. Online unter https://www.gather.town/ [Abruf am 25.10.2022]

Gather Presence, Inc. (2022c): Share Your Space. Zuletzt aktualisiert am 28.03.2022. Online unter https://support.gather.town/help/share-space [Abruf am 25.10.2022]

Gather Presence, Inc. (2022d): Design a More Accessible Space. Zuletzt aktualisiert am 04.04.2022. Online unter https://support.gather.town/help/accessibility-best-practices [Abruf am 26.10.2022]

Gather Presence, Inc. (2022e): Spotlighting. Zuletzt aktualisiert am 24.10.2022. Online unter https://support.gather.town/help/accessibility-best-practices [Abruf am 26.10.2022]

Mittelhessen (2022): Bildungseinrichtungen informieren sich über virtuelle Treffen in der “Gather Town”. Online unter https://www.mittelhessen.eu/mit-uns/aktuelles/541-mittelhessens-bildungseinrichtungen-informieren-sich-ueber-virtuelles-lernen-und-arbeiten-in-gather-town [Abruf am 20.Oktober 2022]

Mischke, Dennis (2022): Kulturen des digitalen Gedächtnisses. In: ABI Technik Jg. 42, H.3, S. 216 – 219. Online unter: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/abitech-2022-0036/html [Abruf am 16.Oktober 2022]

Ramachandran, Vignesh (2021): Four causes for Zoom fatigue and their solutions. Zuletzt aktualisiert am 23.02.2021. Online unter https://news.stanford.edu/2021/02/23/four-causes-zoom-fatigue-solutions/ [Abruf am 15.10.2022]

Riedl, René (2022): On the stress potential of videoconferencing: definition and root causes of Zoom fatigue. In: Electronic markets, Jg. 32, H. 1, S. 153–177. Online unter https://doi.org/10.1007/s12525-021-00501-3

Schneider, Hannah; Kirchner, Andreas; Heber, Maximilian (2021): Netzwerken geht auch Online. In: O-Bib Jg. 8, H.2. Online unter: https://www.o-bib.de/bib/article/view/5709 [Abruf am 20.Oktober 2022]

Standl, Bernhard; Kühn, Thomas; Schlomske-Bodenstein, Nadine (2021): Student-Collaboration in Online Computer Science Courses. An Explorative Case Study. In: International Journal of Engineering Pedagogy, Jg. 11, H. 5, S. 87–104. Online unter https://online-journals.org/index.php/i-jep/article/view/22413

Williams, Paul N.; McClure, Colin Derek (2021): Gather.town: An opportunity for self-paced learning in a synchronous, distance-learning environment. In: Compass: Journal of Learning and Teaching, Jg. 14, H. 2. Online unter https://doi.org/10.21100/compass.v14i2.1232

Bildverzeichnis

Beitragsbild: ©Gather Presence, Inc, Screenshot aus Gather.Town RaumOnline-Lernen mit Twist. Bearbeitet von Krische.

1. Bild: Bild von Pixabay, https://pixabay.com/de/photos/online-meeting-videokonferenz-5183791/

2. Bild: ©Gather Presence, Inc, Screenshot aus Gather.Town RaumOnline-Lernen mit Twist

3. Bild: ©Gather Presence, Inc, Screenshot aus Gather.Town RaumOnline-Lernen mit Twist

4. Bild: Bild von open-access.net, Screenshot von Twitter, https://twitter.com/openaccessnet/status/1372254113203945473, Stand: 30.11.2022

Social-Media-Bild: ©Gather Presence, Inc, Screenshot aus Gather.Town Raum Online-Lernen mit Twist

Digitale Leseräume als neuer Ort des Zusammenkommens

Autorinnen: Janina Kuhn und Tanja Masche

Inhalt

Vom digitalen Lesesaal zum virtuellen Begegnungsort
Ein digitaler Raum mit Wonder
Was kann Wonder?
Mit WorkAdventure einen Schritt weiter gehen
Was kostet WorkAdventure?
WorkAdventure in der Bibliothek
Fazit
Quellen und Verweise

Die digitale Transformation ist ein stetiger Wandlungsprozess, die in allen Lebensbereichen stattfindet. Im öffentlichen Leben, im Beruf und im privaten Umfeld schreitet die Digitalisierung voran und macht damit auch vor Bibliotheken nicht Halt.

Vom digitalen Lesesaal zum virtuellen Begegnungsort

Bereits seit längerer Zeit haben Bibliotheken sogenannte digitale Lesesäle in ihrem Angebot. Hinter dem Begriff versteckt sich noch häufig ein Konzept, das den Online-Zugang zu digitalen Medien einer Einrichtung ermöglicht. Ein Beispiel dafür ist der digitale Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek.

Bei internetaffinen Bibliotheksnutzer*innen und Digital Natives weckt der Begriff des digitalen Lesesaals allerdings andere Erwartungen.

Durch die Lockdowns im Zuge der Covid-19-Pandemie erkannten viele Bibliotheken die Chance das Konzept des „Dritten Orts” auf eine digitale Ebene zu verpflanzen. Diese Räume sind mehr als ein Zugang zu digitalen Medien. Sie bieten die Möglichkeit zur Begegnung und zum interaktiven Austausch abseits der analogen Welt.

Ein digitaler Raum mit Wonder

Die Universitäts- und Landesbibliothek Bonn gestaltete mit dem browserbasierten Konferenztool Wonder einen digitalen Raum, um mit ihren Nutzer*innen in Kontakt zu treten. Interessierte konnten sich zwischen thematisch gekennzeichneten „Areas“, wie z.B. einer bibliothekarischen Auskunft oder Gruppenräumen, hin und her bewegen und sich flexibel Gesprächsgruppen anschließen, als wären sie vor Ort.

Was kann Wonder?

Wonder ist nach eigener Aussage eine Plattform zum Hosten von Online-Events. Das kostenlose, browserbasierte Tool ermöglicht Usern neben Videokonferenzen das freie Bewegen im Raum. Wer sein Icon auf das Icon einer anderen Person zubewegt, kann so spontan und flexibel in eine Unterhaltung in Form von Voice- oder Videochats einsteigen. Diese Gruppierungen werden bei Wonder „Circles” genannt.

Als Host des digitalen Raums kann man über eine überschaubare Anzahl von Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten verfügen. Im Spaceeditor können beliebig viele „Areas” erstellt und benannt, das Hintergrundbild des Raums geändert, oder die maximale Teilnehmer*innenzahl eines „Circles” festgelegt werden. Zusätzlich lässt sich eine Ice-Breaker-Frage einrichten, die alle Personen, die den Raum betreten, beantworten müssen. Die Broadcastfunktion ermöglicht es, eine Übertragung von Bild und Ton an alle anwesenden Personen zu senden und es können Co-Hosts ernannt werden.

Durch die browserbasierte Umsetzung und den schnellen Anmeldeprozess ist Wonder für viele Bibliotheksbesucher*innen einfach und niedrigschwellig nutzbar. Die Broadcast-Funktion ermöglicht es außerdem, größere Veranstaltungen wie Lesungen oder Schulungen durchzuführen. Kolleg*innen können ohne Probleme zu Co-Hosts ernannt werden. Darüber hinaus ist ein hervorstechendes Merkmal, dass das Tool kostenlos ist. Eine kleine Einschränkung ist, dass die Anwendung nicht tablet- oder smartphonefähig ist. Auch sind die gestalterischen Möglichkeiten, was die Individualisierbarkeit des Raums angeht, stark begrenzt.

Mit WorkAdventure einen Schritt weiter gehen

Mit Tools wie WorkAdventure kann noch ein Schritt weiter gegangen werden. Hier bietet sich die Möglichkeit, digitale Räume zu erschaffen, die ihr analoges Gegenstück nachahmen und repräsentieren können. Diese Welt lässt sich von Besucher*innen mit Hilfe eines persönlichen Avatars erkunden.

WorkAdventure kann ein virtuelles Büro, ein virtueller Campus, oder eine virtuelle Messehalle sein. Zur Gestaltung des digitalen Raums kann aus einer Vielzahl vorgefertigter Maps mit unterschiedlichen Eigenschaften gewählt werden. Je nach Map ist der Raum für eine Teilnehmer*innenzahl zwischen 10 und 500 Personen ausgelegt. Wer etwas mehr Zeit investieren will und sich mit dem 2D Level-Editor Tiled auseinandersetzt, kann seinen Raum komplett selbst designen. Dabei ist es auch möglich, Schnittstellen zu externen Features im Raum zu verankern. Ein Beispiel: Im virtuellen Raum liegt ein Brettspiel auf einem Tisch. Zwei Avatare treten an den Tisch heran und werden zu einem externen Browsergame weitergeleitet, in dem sie gegeneinander spielen können.

Wer eine vorgefertigte Map nutzt, findet dort unterschiedliche, bereits eingerichtete Zonen vor. Wer mit seinem Avatar, dem sogenannten „WOKA”, einen Gruppenraum betritt, bekommt z.B. das Angebot, durch Drücken der Leertaste einer Videokonferenz beizutreten. Videocalls können jedoch genauso gut eröffnet werden, indem man sich dicht zum „WOKA” einer anderen Person stellt.

Was kostet WorkAdventure?

WorkAdventure unterscheidet zwischen einer kostenlosen und einer Premiumversion. Mit der kostenlosen Version von WorkAdventure ist die zeitgleiche Nutzung einer Map auf
25 Personen begrenzt. Videokonferenzen innerhalb der Map haben eine Obergrenze von 15 Personen. Es können vorgefertigte oder eigene Maps genutzt werden. „WOKAs” können auch in der freien Version zu einem gewissen Grad individualisiert werden.

Die Premiumversion ermöglicht zusätzlich ein Zugriffsmanagement, das Ernennen von Moderator*innen, das Versenden globaler Nachrichten, das Aufzeichnen von Meetings und eine Google-Kalender-Integration. Leider verfügt WorkAdventure über keine Funktion, mit der Videobroadcasts an alle Teilnehmer*innen einer Map ausgestrahlt werden können.

WorkAdventure in der Bibliothek

Für Bibliotheken könnte es von Nachteil sein, dass die für sie besonders relevanten Features, wie z.B. eine kurzfristig sehr hohe Teilnehmer*innenzahl, mit der Preiskalkulation von WorkAdventure nicht vereinbar ist. Für manche Bibliotheksbenutzer*innen könnte auch die Hemmschwelle, einen digitalen Raum mit einem Avatar zu betreten, zu hoch sein. Für manche Nutzer*innen sind es aber vielleicht besonders die speziellen Eigenschaften von WorkAdventure, durch die ihre Erwartungen erfüllt werden.

Fazit

Das Projekt Wonder in der ULB Bonn ist inzwischen aufgrund geringer Nutzungszahlen eingestellt worden. Warum das Interesse trotz guter Features gering war, ist unklar. Möglicherweise kann auch der ideale digitale Raum den ersehnten analogen Raum nicht ersetzen. Vielleicht konnte Wonder auch die Erwartungen einer internetaffinen Generation an eine digitale Umgebung nicht erfüllen.  

Idealer wäre wohl eine digitale Lösung, die besonders in Zeiten der pandemischen Isolation ein Abtauchen in eine alternative Wirklichkeit ermöglicht, die neues aber gleichzeitig reales Zusammenkommen gestattet. Bibliotheken könnten Initiatoren eines solchen neu gedachten „Dritten Raums” sein. WorkAdventure macht einen kleinen Schritt in diese Richtung. 

Quellen und Verweise

  1. Österreichische Nationalbibliothek: Ihr Zugang zu den digitalen Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek. Online verfügbar unter https://www.onb.ac.at/digitaler-lesesaal, zuletzt geprüft am 29.01.2022.
  2. Thorbjørn Lindeijer: Map Editor Tiled. Online verfügbar unter https://www.mapeditor.org/, zuletzt geprüft am 29.01.2022.
  3. ULB Bonn: Gemeinsam lernen und arbeiten im virtuellen Lesesaal der ULB Bonn. Online verfügbar unter https://www.khi.uni-bonn.de/de/textdokumente/bibliothek/Virtueller%20Lesesaal%20ULB.pdf, zuletzt geprüft am 28.02.2022.
  4. Wonder Technologies GmbH: Wonder. Online verfügbar unter https://wonder.me/, zuletzt geprüft am 29.01.2022.
  5. WorkAdventure: WorkAdventure. Pricing. Online verfügbar unter https://workadventu.re/pricing, zuletzt geprüft am 29.01.2022.
  6. WorkAdventure: WorkAdventure. Online verfügbar unter https://workadventu.re/, zuletzt geprüft am 29.01.2022.
  7. WorkAdventure: WorkAdventure. FAQ. Online verfügbar unter https://workadventu.re/faq, zuletzt geprüft am 29.01.2022.