Menstruelle Überwachung durch FemTech-Apps – Wenn nicht nur Blut fließt

Autorinnen: Michelle Gaßner und Mira Le


Im Zeitalter der Selbstoptimierung gibt es unzählige Apps, die das Leben einfacher machen. Gesundheits-Apps werden genutzt, um zum Beispiel Kalorien zu zählen oder Sportübungen zu tracken, aber auch um mithilfe von Zyklus-Apps den Menstruationszyklus zu dokumentieren. Nutzende berichten, dass solche FemTech-Apps ein wertvolles Mittel sind, um mehr über sich und die eigene Gesundheit zu erfahren und den eigenen Körper besser kennenzulernen.[1][2]

Übersicht

Was ist FemTech eigentlich?
Profite durch sensible Daten
Aber es gibt doch Datenschutzbestimmungen!
Und nun: Apps löschen oder behalten?
Ausblick

Was ist FemTech eigentlich?

Der Begriff FemTech wurde 2016 von Ida Tin geprägt und in den letzten Jahren ist die Bandbreite an sogenannten FemTech-Apps, also nutzerzentrierten und technologischen Lösungen, die sich an feminine Bedürfnisse richten, stark gewachsen.[3]

Sie versprechen Autonomie und werden als empowerndes Tool vermarktet.[4] FemTech-Apps werden folglich genutzt, um die Menstruation und die eigene Fruchtbarkeit zu überwachen. So helfen sie dabei, unabhängig und selbstbestimmt agieren zu können, denn die App nimmt die lästige und zeitaufwendige Arbeit des Zählens und Dokumentierens ab. Dadurch fällt es vielen Menschen leichter, dies längerfristig und regelmäßig zu tun.[5]

Noch angenehmer fühlt es sich an, wenn man nichts dafür bezahlen muss. Aber das stimmt nur bedingt, denn auch bei kostenlosen Apps wird in Daten bezahlt und der Preis kann erschreckend hoch sein.[6] Personenbezogene Daten sind wertvoll und die Daten einer schwangeren Frau zum Beispiel noch mehr. Nutzt sie eine FemTech-App, werden diese Daten nicht zwingend ihr privates Eigentum bleiben.[7] Aber warum ist das eigentlich ein Problem?

Profite durch sensible Daten

Wenn wir betrachten, was FemTech-Apps machen, dann wird schnell klar, dass die gesammelten Daten intimer und persönlicher kaum sein können. Es entstehen große Mengen an Datensätzen, in denen neben Geburtsdaten auch Daten wie z.B. Gefühle und Stimmung, Ausfluss und andere körperliche Begleiterscheinungen oder sogar sexuelle Aktivitäten festgehalten werden.[8]

Screenshot aus der App ‚Flo‘

Folglich sollte es also eigentlich selbstverständlich sein, dass solche Daten nur durch die nutzende Person weitergegeben werden dürfen. Tatsächlich sind sich die meisten aber häufig nicht über die Tragweite der Datenweitergabe bewusst.[9] Denn anders als bei Krankenakten, die bei den Ärzten und Krankenhäusern der Schweigepflicht unterliegen, gibt es keine Klarheit, wie datenschutzrechtlich mit den sensiblen Daten umgegangen werden soll.

Das bedeutet, dass es FemTech-App-Anbietern freisteht, welche Daten sie wie sammeln[10] oder welche Informationen sie an Werbepartner weitergeben, um personalisierte Werbung für bspw. Windeln zu schalten oder neue Nutzende zu rekrutieren.[11]

Aber es gibt doch Datenschutzbestimmungen!

Natürlich könnte man meinen, dass jede Person, die eine FemTech-App nutzt und durch die Nutzung den Datenschutzbestimmungen dieser spezifischen App explizit oder implizit zustimmt, auch weiß, worauf sie sich einlässt. So einfach ist es allerdings nicht. Das liegt an verschiedenen Gründen.

Zum einen sind Datenschutzerklärungen sprachlich so gestaltet, dass sie schwer zu verstehen sind und ein gewisses sprachliches Niveau Voraussetzung ist, um ihren Inhalt zu durchschauen. Zum anderen sind sie auch nicht immer offensichtlich und es gibt auch keine Möglichkeit, den Datenschutzerklärungen zu widersprechen.[12] Die Mozilla Foundation hat festgestellt, dass in der Mehrheit der FemTech-Apps Datenschutz nicht gewährleistet werden kann.[13]

Das heißt, auch wenn die Datenschutzbestimmungen gesehen, gelesen und verstanden wurden, heißt es noch nicht, dass sie positiv für die Nutzenden sind oder es bleiben.

Datenschutzbestimmungen sind angepasst worden im Verlauf der Lebensdauer der Apps, da es immer wieder kontrovers diskutiert worden ist, ob die sensiblen Daten sicher sind.

Erst 2021 gab es Empörung, als bekannt wurde, dass die meist genutzte Menstruations-App Flo Daten an Dritte weitergab.[14] Als Reaktion darauf hat Flo die Daten anonymisiert.

Und nun: Apps löschen oder behalten?

Es stellt sich letztendlich die Frage, wie unter diesen Gesichtspunkten mit FemTech-Apps verantwortungsvoll und doch persönlich bereichernd umgegangen werden kann. Gerade im Verlauf des Umwurfs von Roe vs Wade in den USA haben sich viele Nutzende dazu entschieden, die Apps zu löschen, da im schlimmsten Fall die Daten an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden können.[15] Wenn nicht klar ist, was mit den Daten passiert, wird sich zu der Lösung entschieden, erst gar keine Daten zu generieren.

Welche Folgen der Eingriff in die Privatsphäre im Zusammenhang mit dem Fall Roe vs. Wade haben könnte, wurde in diesem Video gut zusammengefasst:

Auch wenn FemTech-Apps keinen optimalen Datenschutz bieten, so ergeben sich dennoch Vorteile, die viele Personen nicht aufgeben möchten, denn der Nutzen ist für sie unumstritten.[16] FemTech blind gegenüber den Problematiken zu nutzen ist allerdings auch keine gute Idee. Apps müssen die Privatsphäre der Nutzenden wahren.

Ausblick

Anstatt auf absolute Lösungen zu setzen, sollte die Informationskompetenz der Nutzenden gefördert und für die Datenflüsse sensibilisiert werden. Die Risiken und der Nutzen müssen gegeneinander aufgewogen und eine persönliche Entscheidung getroffen werden,[17] die fundiert und informiert getroffen werden kann. Da diese Apps auch ein Bestandteil von reproduktiver und sexueller Selbstbestimmung und Freiheit sein können, brauchen wir Wege, die weiter gehen, als eine „ganz oder gar nicht“ Entscheidung.

Es werden Apps mit freier und offener Software benötigt und es braucht Transparenz, welche Daten verarbeitet und gesammelt werden. Das Verantwortungsbewusstsein für die Sensibilität der Daten sollte nicht nur bei den Nutzenden liegen, sondern auch bei denen, die diese Apps erstellen und anbieten.

Quellen

Amelang, Katrin (2022): (Not) Safe to Use: Insecurities in Everyday Data Practices with Period-Tracking Apps. In: New Perspectives in Critical Data Studies. Palgrave Macmillan, Cham, S. 297-321. Online unter https://doi.org/10.1007/978-3-030-96180-0_13 S. 307 [2] [16]

Bretschneider, Richard A. (2015): A Goal- and Context-Driven Approach in Mobile Period Tracking Applications. In: Springer, Cham, S. 279287. Online unter https://doi.org/10.1007/978-3-319-20684-4_27 S. 283-284 [8]

Campanella, Samantha: Menstrual and fertility tracking apps and the post Roe v. Wade era. Online unter https://ir.lib.uwo.ca/usri/usri2022/ReOS/238/ [Stand: 29.11.2022] S. 9 [15]

Epstein, Daniel A.; Lee, Nicole B.; Kang, Jennifer H.; Agapie, Elena; Schroeder, Jessica; Pina, Laura R.; Fogarty, James; Kientz, Julie A.; Munson, Sean (2017): Examining menstrual tracking to inform the design of personal informatics tools. In 2017/05/02. ACM. Online unter https://doi.org/10.1145/3025453.3025635 S. 6. [1]

Fowler, Leah R.; Gillard, Charlotte; Morain, Stephanie R. (2020): Readability and accessibility of terms of service and privacy policies for menstruation-tracking smartphone Applications. In: Health promotion practice, Jg. 21, H. 5, S. 679-683. Online unter https://doi.org/10.1177/1524839919899924 S. 681 [12] ; S. 682 [9]

Gilman, Michele Estrin (2021): Periods for profit and the rise of menstrual surveillance. In: Columbia Journal of Gender and Law, Jg. 41, H. 1, S. 100-113. Online unter https://doi.org/10.52214/cjgl.v41i1.8824 S. 100 [4] ; S. 103 [6]

Healy, Rachael L. (2020): Zuckerberg, get out of my uterus! An examination of fertility apps, data-sharing and remaking the female body as a digitalized reproductive subject. In: Journal of Gender Studies, Jg. 30, H. 4, S. 406-416. Online unter https://doi.org/10.1080/09589236.2020.1845628 S. 411 [11]

Hoppenstedt, Max (2019): Was Zyklus-Apps über ihre Nutzer verraten. In: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 27.12.2019. Online unter https://www.sueddeutsche.de/digital/zyklus-apps-datenschutz-36c3-1.4735916 [Stand: 08.10.2022] [7]

Kemble, Emma; Pérez, Lucy; Sartori, Valentina; Tolub, Gila; Zheng, Alice (2022): The dawn of the FemTech revolution. In: McKinsey & Company, Ausgabe vom 14.02.2022. Online unter https://www.mckinsey.com/industries/healthcare-systems-and-services/our-insights/the-dawn-of-the-femtech-revolution [Stand: 05.11.2022] [3]

Lomas, Natasha (2021): Flo gets FTC slap for sharing user data when it promised privacy. In: TechCrunch, Ausgabe vom 13.01.2021. Online unter https://techcrunch.com/2021/01/13/flo-gets-ftc-slap-for-sharing-user-data-when-it-promised-privacy/ [Stand: 30.10.2022] [14]

Mozilla Foundation (2022): Privacy not included: A buyer’s guide for connected products. Zuletzt aktualisiert am 15.11.2022. Online unter https://foundation.mozilla.org/en/privacynotincluded/categories/reproductive-health/ [Stand: 15.11.2022] [13]

Rosato, Donna (2020): What your period tracker app knows about you, Ausgabe vom 22.01.2020. Online unter https://www.consumerreports.org/health-privacy/what-your-period-tracker-app-knows-about-you-a8701683935/ [Stand: 03.11.2022] [10]

Siapka, Anastasia; Biasin, Elisabetta (2021): Bleeding data: the case of fertility and menstruation tracking apps. In: Internet Policy Review, Jg. 10, H. 4. Online unter https://doi.org/10.14763/2021.4.1599 S. 2 [5]

Torchinsky, Rina (2022): How period tracking apps and data privacy fit into a post-Roe v. Wade climate. In: NPR, Ausgabe vom 10.05.2022. Online unter https://www.npr.org/2022/05/10/1097482967/roe-v-wade-supreme-court-abortion-period-apps [Stand: 05.10.2022] [17]

Bildquellen

Beitragsbild und Bild 1: https://flic.kr/p/2nMcWpX, Bearbeitet durch Mira Le.

Bild 2: ©Flo Health Inc, Screenshot