Über der Einsatz von KI zur Musikkomposition: Der nächste Tsch(AI)kowski?

Autor: Hendrik Kuck

 


Komponieren mithilfe von Künstlicher Intelligenz? Zukunftsmusik oder bereits Alltag in der Musikbranche? Wie funktioniert so etwas? Und wer profitiert davon? Mögliche Antworten liefert der folgende Artikel zum Thema “Künstliche Intelligenz in der Musikkomposition”.

Inhaltsverzeichnis

KI in der heutigen Musikproduktion

Künstliche Intelligenz nimmt in unserer Gesellschaft eine immer zentralere Rolle ein. Sie ist aus Wirtschaft, Medien und Technik nicht mehr wegzudenken und wird in Deutschland u.a. von der Bundesregierung gefördert.1 Auch die Musikbranche wird nachhaltig von KI geprägt und Künstliche Intelligenz befindet sich besonders in der Musikkomposition auf dem Vormarsch.2 Besonders die Komposition von Hintergrundmusik für Social Media, Werbung und Gaming wird in Zukunft von ihr dominiert.3 Aber wie funktioniert das Komponieren von Musik mithilfe von KI eigentlich? Wer arbeitet mit ihr? Steht sie in einem ethischen Konflikt mit menschlichen Musikern und Komponisten und kann sie überhaupt wirkliche Kunst erschaffen? Diesen Fragen widmet sich der folgende Artikel.

Wie funktioniert Komponieren per KI?

Damit eine KI Musik komponieren kann, muss sie zunächst für diesen Einsatzzweck trainiert werden. Sogenannte “Neuronale Netzwerke” lernen anhand großer Datenmengen (Big Data) die Struktur und Elemente vorhandener Musik. Durch ständige Analyse wird sie immer besser darin, Muster im Songaufbau zu erkennen und ist zu beachtlichen analytischen Leistungen in der Lage.4 Allerdings ist die derart entstandene Musik ohne menschliche Bearbeitung eher Mittelmaß. Das Verfassen von Songtexten und Einspielen der Instrumente sollte daher durch menschliche Hand erfolgen. 5 Künstliche Intelligenz ist deshalb eher als Werkzeug, welches die kompositorische Arbeit erleichtert, zu betrachten.6

Klicken Sie auf die folgende Abbildung, um selbst mit dem Komponieren loszulegen und kreieren Sie mithilfe der KI von Soundraw eigene Songs.

Roboter spielt Klavier. Verlinkung zu Musikgenerator. Künstliche Intelligenz Musikkomposition.
Laremenko Sergii/Shutterstock.com Musikgenerator per AI von Soundraw

In der Praxis

Die Umsetzung computergenerierter Kompositionen ist bereits Realität. Beispielsweise erschuf der Wissenschaftler David Cope mithilfe von KI Werke klassischer Musik, welche Vivaldi, Bach oder Chopin ähneln. Die Aufführung mit einem echten Orchester konnte sogar Fachpublikum täuschen.7 Weiterhin konnten Forscher ein neuronales Netzwerk mithilfe von 45 Songs der Beatles so lange trainieren, bis es ein eigenes Stück entwarf, welches auffällig stark dem Ursprungsmaterial ähnelte. Lediglich der Text zu dem Song “Daddy’s Car” musste von Menschen geschrieben werden.8

Auch private Nutzer können KI zur Musikkomposition nutzen. So bietet das Berliner Unternehmen “Loudly” auf ihrer Homepage eine eigens mit ca. zehn Millionen Songs trainierte KI an. Nutzer können somit schnell eigene Lieder generieren lassen. Sie wählen lediglich Genre, Songlänge und Instrumente aus, den Rest übernimmt die KI.9 Auch professionelle Künstler haben sich bereits auf die Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz beim Kreieren von Songs spezialisiert. Die Berlinerin Holly Herndon hat auf diese Weise bereits mehrere Alben veröffentlicht.10

https://open.spotify.com/artist/2c9yn5DJQd5es7YMY92ikZ?autoplay=true
Songbeispiele der Musikerin Holly Herndon

Mensch vs. KI

Mit der zunehmenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz in der Musikbranche treten auch vermehrt ethische Fragen auf. Verdrängt die Maschine den Menschen? Ist computergenerierte Musik überhaupt Kunst?

Dr. Ralf Weigand, Vizepräsident des Deutschen Komponistenverbandes und Vorsitzender des Aufsichtsrats der GEMA, sieht KI in der Musik mit potenziellen Nachteilen verbunden. Besonders im Bereich der Gebrauchsmusik (Hintergrundmusik für Film, Fernsehen, Social Media etc.) könne KI eine Gefahr für die Jobs der Musikschaffenden bedeuten. Zudem sorge eine Überflutung des Musikmarkts mit computergenerierter Musik eventuell dafür, dass Menschen diese Musik nicht mehr von menschengemachter unterscheiden könnten.11

Rory Kenny, Gründer des eingangs erwähnten Unternehmens “Loudly”, hält dagegen. KI schaffe bereits neue Jobs wie Softwareentwickler oder Informationsspezialisten in der Musikbranche. Weiterhin ermögliche sie auch Menschen ohne Know-how die einfache und zugängliche Produktion von Musik.12

“Das wird eine sehr interessante weitere Demokratisierung des Musikschaffens.”

Rory Kenny13

 

Auch professionelle Kunstschaffende könnten Vorteile aus der Kooperation mit KI ziehen und Gefallen daran finden.14 Ein Beispiel hierfür ist die bereits erwähnte Holly Herndon.

Kann KI Kunst?

Auch ob Künstliche Intelligenz wahrhaftige Kunst erschaffen kann, ist umstritten. Der Neurowissenschaftler Matthias Bethge sieht KI zwar eher als Werkzeug, spricht ihr allerdings alle Merkmale menschlicher Kreativität zu. Genau wie der Mensch würde sie zunächst Erfahrungen sammeln und Strukturen analysieren, um dann auf dieser Basis etwas Neues zu schaffen. Hans-Christian Ziupa, Gewinner des KI-Musik-Wettbewerbs “Beats & Bits”, sieht jedoch einen zentralen Unterschied zwischen Mensch und KI. Zuhörer würden von Musikern erwarten, dass sie bei der Schöpfung von etwas Neuem mit sich gerungen und dabei eine gewisse emotionale Radikalität entwickelt hätten. Dies sei einer KI nicht möglich.15

Rory Kenny glaubt ebenfalls nicht an den Ersatz menschlicher Musiker durch Maschinen. Musik sei im Kern Storytelling, KI sei jedoch nicht in der Lage Geschichten zu erzählen.16 Goetz Richter, Musiker und Professor der Universität Sydney, sieht KI zudem als abhängig von Menschen und ihren Anweisungen. Es sei komplett verschieden, ob aus bereits bestehenden Werken Eigenschaften abstrahiert, oder schöpferische Werke erschaffen würden. Zu Letzterem sei KI nicht in der Lage. Musik sei kein Ergebnis reiner Analytik, sondern erfordere Neugier, Sinnfindung, Bewusstsein, gelebte Erfahrung, Aufmerksamkeit und Empathie. Dies seien alles Eigenschaften, welche Computern fehlen würden.17 Renate Buschmann, Professorin für digitale Künste der Universität Witten/Herdecke, sieht dies ähnlich. KI habe ihre Stärke im Analysieren von Mustern und dem Kopieren. Kunst sei aber eben das Brechen von Regeln und dem Erschaffen von Unberechenbarkeit.18

Eine weitere komplexe Frage in diesem Kontext ist die, nach der rechtlichen Urheberschaft künstlich komponierter digitaler Produktionen. Sowohl Nutzer der KI (Wahl der Schlagworte bei der Generierung), Künstler (Rahmen und Konzept auf welches KI zugreift), Programmierer (Entwicklung der Software) als auch die Maschine selbst (Komposition des Werkes) kommen als mögliche Urheber infrage.19 Nicht nur diese, sondern auch die oben angesprochenen Themen, werden die Musikbranche in Zukunft mit Sicherheit prägen und beschäftigen.


1 vgl. Die Bundesregierung 2020

2 vgl. Bora 2021

3 vgl. Die Bundesregierung 2020

4 vgl. Bora 2021, Die Bundesregierung 2020 und Richter

5 vgl. Die Bundesregierung 2020

6 vgl. Bora 2021

7 vgl. Richter

8 vgl. Die Bundesregierung 2020

9 vgl. Bora 2021

10 vgl. Die Bundesregierung 2020

11 vgl. Bora 2021

12 vgl. Bora 2021

13 Bora 2021

14 vgl. Buschmann 2022, S.165

15 vgl. Die Bundesregierung 2020

16 vgl. Bora 2021

17 vgl. Richter

18 vgl. Buschmann 2022, S.164-165

19 vgl. Buschmann 2022, S.169

Quellen

Bora, Tereza (2021): Kreative KI. Künstliche Intelligenz verändert die Musikbranche. Online unter https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/kreative-ki-kuenstliche-intelligenz-veraendert-die-musikbranche,Spb43xK [Abruf am 23.11.2022]

Buschmann, Renate (2022): Kann aus KI Kunst werden?. Dialogische Beziehungen mit Künstlicher Intelligenz. In: Schnell, Martin W.; Nehlsen, Lukas (Hg.): Begegnungen mit Künstlicher Intelligenz. Intersubjektivität, Technik, Lebenswelt. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 164-173. Online unter: doi.org/10.5771/9783748934493

Die Bundesregierung (2020): KI spielt die Musik. Online unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/ki-in-der-kultur-1720970 [Abruf am 23.11.2022]

Richter, Goetz (o.J.): Die scheinbare Originalität von KI-Musik. Online unter https://www.goethe.de/prj/k40/de/mus/aim.html [Abruf am 23.11.2022]

Der Autor Hendrik Kuck arbeitet an der Universitätsbibliothek Osnabrück und studiert zurzeit berufsbegleitend Informationsmanagement an der Hochschule Hannover